Ein besonderes Augenmerk wird auf die Kommunikation gelegt. Die Gesprächskultur in unserem Land wie auch in der gesamten westlichen Hemisphäre hat in den vergangenen Jahrzehnten massive Einschränkungen erfahren. Kinder und Jugendliche werden in den Schulen mit Mobbing und Verleumdungen konfrontiert, wenn sie ihre eigenen Ansichten äußern. Es scheint, als gäbe es ein „sprachliches Sperrgebiet“
(Rainer Mausfeld), das niemand betreten dürfe. Überschreitungen dieses Verbots werden mit Ausgrenzung bis hin zu Rufmord geahndet. Was brauchen junge Menschen, damit sie den Mut entwickeln, ihre Meinung kundzutun, mit Menschen unterschiedlicher Meinungen zu diskutieren und dadurch zu mündigen, selbstbestimmten Bürger:innen heranzuwachsen, die eine gesunde Basis für demokratische Verhältnisse bilden? Diese sind vor allem in ländlichen Regionen gefragt, wo das Verhalten der Untertänigkeit sowohl kulturell bedingt als auch durch soziale Kontrollmaßnahmen stärker ausgeprägt zu sein scheint als in urbanen Gebieten. In diesem Zusammenhang wird auch der Frage nachgegangen, inwiefern soziale und geistige Enge, Dorfkaisertum, das Gebot zum Gehorsam und die eingeschränkten Möglichkeiten, sich selbst zu entfalten junge Menschen dazu bewegen, ihr Leben am Land hinter sich zu lassen und im Sinne von „Stadtluft macht frei“ in eine Stadt zu übersiedeln. Umgekehrt wird der Frage nachgegangen, welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sich Jugendliche und junge Menschen erwarten/erhoffen, um ein Leben am Land nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen gestalten zu können. Nicht zuletzt wird es im Rahmen dieser Studie darum gehen, welche Ängste Jugendliche und junge Menschen konkret haben und wie diesen begegnet werden kann.
Begründung der Notwendigkeit
Der Begriff „enkeltauglich“ führt vor Augen, dass das Thema Nachhaltigkeit untrennbar mit der Jugend, den nachkommenden Generationen und dadurch mit der Zukunft in Verbindung steht. Entsprechend der Ansicht von Albert Einstein können unsere derzeitigen Probleme nicht mit derselben Denkweise gelöst werden, durch die sie entstanden sind. Es braucht neue Denkansätze und Herangehensweisen, um die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Krisen zu bewältigen. Eine Hauptthese dieser Studie ist es, dass junge Menschen bereits über neue Denkansätze verfügen, die in neue Herangehensweisen und Politikvorschläge einfließen können.
Stand des Projekts
2020 und 2021 wurde durch Literatur- und Internetstudien analysiert, wie prekär die Situation durch politische Entscheidungen vor dem Hintergrund von Covid-19 waren. Es häuften sich die Meldungen darüber, dass vor allem junge Menschen nach Suizidversuchen in Krankenhäuser und Psychiatrien eingeliefert wurden oder sich tatsächlich das Leben nahmen. Demzufolge wird von der These ausgegangen, dass sowohl im Jahr 2020 wie auch im Folgejahr 2021 psychische Erkrankungen, Suizide wie auch Suizidversuche bedingt durch Lockdowns und sonstige Maßnahmen auch in Österreich zugenommen haben und dass vor allem Jugendliche und junge Menschen in ländlichen Gebieten durch Zukunftsängste und destabilisierende Verhältnisse davon betroffen sind. Aufgrund der Mitarbeit in den Projekten Frauen in lebendigen ländlichen Räumen und Marktmacht, Covid Lessons Learned wie auch durch die Abschlussarbeiten und Präsentation des Berichtes „Soziale Prozesse am Land“ konnte 2021 nur geringfügig Zeit für dieses Projekt aufgewendet werden.
Arbeiten 2022
In qualitativen Interviews und Workshops mit Jugendlichen und jungen Menschen wird für die Vielfalt an Fragen nach Antworten geforscht. Nach Abschluss des Projektes „Frauen und lebendige ländliche Räume“ soll in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 im Rahmen von Workshops mit Jugendlichen, Pädagog:innen und Betreuer:innen durch einen Rückblick auf Lockdowns und andere Maßnahmen herausgearbeitet werden, wie Jugendlichen und jungen Menschen am Land Unterstützung angeboten werden kann, die zusätzlichen Belastungen durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Einschränkungen zu bewältigen. Welche persönlichen Bedrohungen sehen junge Menschen am Land darin? Welche Herausforderungen gilt es zu meistern?
Anhand der Ergebnisse wird die These geprüft, dass Menschen generell fürsorglich mit den Verhältnissen der Natur umgehen, wenn sie selbst Fürsorge erfahren haben. Dadurch wird dem Thema der Nachhaltigkeit nach Analyse der sozialen Bedingungen auf den Grund gegangen. In der Tiefenökologie werden die verheerenden ökologischen Verhältnisse als eine Folge von sozialer Vernachlässigung aufgefasst. Daher ist es unabdingbar, zuerst die sozialen und psychischen Verhältnisse der Jugendlichen und junger Menschen am Land zu analysieren, ehe ihre Einstellungen zu den ökologischen Bedingungen behandelt werden können. Damit wird die These geprüft: Wenn die Politik für den ländlichen Raum fürsorgliche Voraussetzungen für das Heranwachsen von Kindern und Jugendlichen schafft, werden diese als Erwachsene eher geneigt sein, am Land zu leben und fürsorglich mit dem sozialen Umfeld wie auch mit den Gegebenheiten der Natur umzugehen.
Zeitplan
Projektbeginn: 2020 (2021 wurde überwiegend an anderen Projekten gearbeitet)
Projektende: März 2023