Abschlussbericht zu Projekt AWI/49/16 W
Executive Summary
Die Landwirtschaft erbringt weit über die Agrarproduktion hinaus verschiedenste Funktionen und Leistungen. Ziel des von der Technischen Universität München (TUM) geleiteten und koordinierten Gesamtprojektes, an dem neben der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen (BAB) als weitere Projektpartner die Freie Universität Bozen (UNIBZ) und das Norwegian Institute for Bioeconomy Research (NIBIO) beteiligt waren, war es, den gesellschaftlichen Mehrwert „bäuerlicher Landwirtschaft“ zu analysieren. Für Deutschland und Österreich wurden empirische Analysen insbesondere zu den Umwelteffekten bäuerlicher Betriebe durchgeführt. Darüber hinaus wurde auf Basis von Befragungen der Bevölkerung in den Ländern bzw. Regionen der Projektpartner (Österreich, Bayern, Südtirol und Norwegen) die Bedeutung einzelner Merkmale der Landwirtschaft (wie z.B. verschiedene Betriebsstrukturen) sowie die Wertschätzung bäuerlicher Betriebe durch die Bevölkerung analysiert. Der Schwerpunkt des vorliegenden Berichtes liegt auf den Projektergebnissen für Österreich.
In der Literatur wird teilweise vermutet, dass die „bäuerliche Landwirtschaft“ eine Form der Landwirtschaft ist, die z.B. im Hinblick auf die Umwelt nachhaltiger ist als andere Formen. Eine Operationalisierung des Begriffs der „bäuerlichen Landwirtschaft“ (bzw. des „bäuerlichen Betriebes“) für die empirischen Analysen im Rahmen des Projektes erfolgte mithilfe des Begriffs des „Familienbetriebes“. Auf Basis von Daten aus den Agrarstrukturerhebungen 2010 in Österreich und Deutschland wurden durch den Projektpartner TUM die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe anhand der Faktoren Anteil an Familienarbeitskräften, Rechtsform und Betriebsgröße mithilfe eines Index und einer Clusteranalyse kategorisiert und bäuerliche Betriebe (bzw. Betriebe, die als stärker bäuerlich als andere eingeordnet werden können) identifiziert. Folgende Managementpraktiken aus den Agrarstrukturerhebungen 2010 für Österreich und Deutschland, die mit Umwelteffekten in Verbindung stehen, wurden für die (länderspezifischen) Analysen ausgewählt: Pflege oder Neuanlage von Landschaftselementen, Bodenbedeckung im Winter, Monokulturen und Anbaudiversifizierung bzw. -spezialisierung (für Österreich zusätzlich: schonende Bodenbearbeitung). Die Ergebnisse der empirischen Analysen der TUM zu den Umwelteffekten bäuerlicher Betriebe in Österreich und Deutschland können nicht generell oder eindeutig die Annahme unterstützen, dass Betriebe, die als bäuerlich bzw. stärker bäuerlich eingeordnet werden können – im Vergleich zu nicht-bäuerlichen bzw. weniger bäuerlichen Betrieben – in größerem Umfang bestimmte Managementpraktiken anwenden, die mit positiven Umwelteffekten in Verbindung gebracht werden. Während es sich bei den Ergebnissen für Deutschland um kausale Effekte bäuerlicher Betriebe unter Anwendung des Regression Discontinuity Designs (RDD) handelt, stellen jedoch die Ergebnisse für Österreich Korrelationen (d.h. wechselseitige Beziehungen) zwischen der Form der Landwirtschaft und den betrachteten Managementpraktiken dar. Die geschätzten Korrelationen sind zum Großteil statistisch signifikant, jedoch sehr gering. Für Österreich konnte die RDD-Methode nicht angewendet werden, da kein hierfür erforderliches „natürliches Experiment“ (wie für Deutschland anhand der historischen Grenze von Ost- zu Westdeutschland) ausgemacht werden konnte. Zudem deuten die sehr niedrigen Werte des Bestimmtheitsmaßes (R2) bei den Schätzergebnissen für Österreich darauf hin, dass offenbar andere Faktoren als jene, die zur Identifikation bäuerlicher Betriebe herangezogen wurden, für die Erklärung der betrachteten Managementpraktiken wichtiger sind. Daher sind die Ergebnisse für Österreich mit Vorsicht zu interpretieren.
Ergebnisse des Projektpartners UNIBZ auf Basis der Befragung der Bevölkerung Österreichs zur Bedeutung einzelner Merkmale der Landwirtschaft (d.h. zu Betriebsstruktur, Spezialisierungsgrad, Wirtschaftsweise und Absatz) zeigen einerseits, dass die Einschätzung der aktuellen Situation der Landwirtschaft seitens der Bevölkerung nicht unbedingt für alle Merkmale die Realität widerspiegelt. Andererseits zeigen die Ergebnisse eines Entscheidungsexperiments, dass die höchsten Zahlungsbereitschaften (d.h. höhere Preise für Lebensmittel aus einer Landwirtschaft mit bestimmten Merkmalen) in der Bevölkerung Österreichs für die Merkmale Kleinbetriebe, regionale/lokale Vermarktung und biologische Wirtschaftsweise bestehen. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse der länderübergreifenden Analyse der Befragungsergebnisse (Österreich, Bayern, Südtirol, Norwegen) durch die UNIBZ mithilfe eines Strukturgleichungsmodells, dass der Wert bäuerlicher Betriebe seitens der Bevölkerung durch die Merkmale Inhaberführung, Familienarbeitskräfte und Einheit von Haushalt und Betrieb definiert wird. Dieser Wert beruht allerdings nur auf der Wertschätzung des sozialen Wertes (z.B. Beitrag zum Dorfleben, Bewahrung von Bräuchen und Traditionen) und – zu einem bedeutend kleineren Teil – des ökologischen Wertes (z.B. tiergerechteres und Ressourcen schonenderes Arbeiten). Laut den Ergebnissen spielen aus Sicht der Bevölkerung beim Wert bäuerlicher Betriebe der wirtschaftliche Wert (z.B. Stärkung der lokalen Wirtschaft) und der Produktwert (z.B. gesündere oder „handwerklichere“ Lebensmittel) keine Rolle.