AWI

SR019: Zur Anwendung der Linearen Programmierung im Grünlandbereich

Walter Klasz

Eine Entscheidungshilfe wird üblicherweise nach ihrer Aussagekraft (auch Ergebniswert, Informationswert) und nach ihrem Gebrauchswert (Zeitbedarf, Schwierigkeitsrad, Bedarf an Hilfsmitteln etc.) beurteilt (Abschnitt 3). Eine exakte Einstufung der einzelnen Kalkulationsverfahren nach diesen Kriterien ist jedoch nur mit Vorbehalt möglich, weil sich sowohl die Aussagekraft als auch der Gebrauchswert einer allgemein und längerfristig gültigen Quantifizierung entziehen. Die laufende Weiterentwicklung im technischen, methodischen und organisatorischen Bereich, sowie zahlreiche subjektive Momente, wie die Art und der Umfang des Problems, der Übungsgrad des Bearbeiters, "die Intensität bei der Suche nach der ökonomisch vorteilhafteren Lösung. (58, S. 604) etc. müssen in die Betrachtung miteinbezogen werden. Schließlich ist gerade im Hinblick auf die lineare Programmierung zu beachten, daß schon bei der Erstellung des Planungsansatzes ein sehr weiter Spielraum zwischen einer möglichst genauen Abbildung der Wirklichkeit und der Vermeidung jeglicher Vorentscheidungen (hoher Ergebniswert) auf der einen Seite und dem Streben nach einem möglichst geringen Matrixumfang (hoher Gebrauchswert) auf der anderen Seite gegeben ist.

Bei wissenschaftlichen Arbeiten kommt dieser Umstand nicht sosehr zum Tragen, weil hier der Gebrauchswert in der Regel von untergeordneter Bedeutung ist. Beim Einsatz dieser Methode in der Praxis muß jedoch ein Kompromiß gefunden werden: Einerseits muß in der Aussagekraft eine Überlegenheit gegenüber den an sich praxisgerechteren Handrechenverfahren gewahrt bleiben, anderseits muß bezüglich des Gebrauchswertes die Wettbewerbsgleichheit mit diesen einfacheren Methoden angestrebt werden. Die Suche nach einem solchen Kompromiß ist nun bei der Erstellung eines Planungsansatzes für den Grünlandbereich zweifellos schwieriger als für den Ackerbaubereich.

Wie aus dem einleitenden Abschnitt dieser Arbeit hervorgeht, beschränkt sich die Fragestellung und die Problematik bei Planungen im Ackerbaubereich in der Hauptsache auf die Auffindung der optimalen Produktionsrichtung. Die Ermittlung der optimalen speziellen Intensität läßt sich bei der Erzeugung von Marktfrüchten aus dem Wirkungszusammenhang des Gesamtbetriebes herauslösen und gesondert errechnen, weil zwischen der speziellen Intensität einerseits und der Produktionsrichtung und der Organisation der Arbeitswirtschaft anderseits vorwiegend ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis gegeben ist. Im Grünlandbereich ist dagegen die optimale spezielle Intensität in starkem Maß von der organisationsbedingten Verwertung des Futters abhängig. Die Nutzungsform (Milchviehhaltung, Kalbinnenaufzucht, Rindermast etc.) wirkt über die ihr eigene Intensität auf die Intensität der Grünlandbewirtschaftung ein. Es besteht also ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Will man bei der Erstellung des Planungsansatzes schwerwiegende Vorentscheidungen vermeiden, die die Auffindung des gesamtbetrieblichen Optimums von vornherein ausschließen, dann darf die spezielle Intensität nicht vorgegeben werden. Daraus ergeben sich jedoch eine Reihe von formulierungstechnischen Komplikationen.

Bei der Graserzeugung handelt es sich um Produktionsprozesse, die nicht zur biologischen Reife gebracht werden müssen und innerhalb gewisser Grenzen willkürlich mehrmals während des Jahres wiederholt werden können, d.h., die Erreichung einer bestimmten Gesamtertragshöhe ist nicht nur von der Düngung, sondern auch von der Nutzung (Anzahl, Art und Verteilung der Ernteeingriffe) abhängig. Die Forderung nach einer genauen Beachtung der Wechselbeziehungen zwischen Ertrag, Ertragsverlauf, Düngung und Nutzung (siehe Abschnitt 4.1) würde bedeuten, daß im Planungsansatz jeder möglichen Intensität in der Futtererzeugung strenggenommen eine ganz bestimmte Nutzung bzw. ein ganz bestimmter Nutzungsablauf zugeordnet werden müßte. Es ist unschwer einzusehen, daß dies zu untragbaren Matrixdimensionen führen würde, insbesondere dann, wenn mehrere Grünlandaktivitäten mit jeweils unterschiedlichem Ertragspotential und unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten (Wiese, Weide, für Kühe, für Jungrinder etc.) definiert werden müssen. Mit Rücksicht auf den Gebrauchswert ist also ein ansatztechnischer Kompromiß unerläßlich, d.h., es muß auf eine genaue Beachtung der produktionstechnischen Gegebenheiten im Bereich der Futtererzeugung, -werbung und -konservierung verzichtet werden. Dies hat wieder einen weiteren Kompromiß im Bereich der Fütterung zur Folge, der darin besteht, daß der Gestaltung der Rationen (im Zuge des Rechenganges) kein allzu großer Spielraum gegeben werden darf. Im übrigen spielt in diesem Zusammenhang auch das Datenproblem eine wesentliche Rolle. Da man im praktischen Planungsfall - insbesondere im Grünlandbereich -bei der Ermittlung zahlreicher Input-Outputkoeffizienten (Erträge, Ertragsverlauf, Nährstoffwerte, Verluste etc.) auf Schätzungen angewiesen ist, bekommt man die Realität auch bei höchster "Matrixakrobatik" nicht vollständig in den Griff bzw. führt die Vermeidung jeglicher Vorentscheidungen häufig zu unpraktikablen Lösungen. So wären bei der modellinternen Optimierung der Futterrationen zumeist eine Reihe von Rechengängen erforderlich, um die Auswirkungen unterschiedlicher Koeffizienten auf die Gestaltung der Ration zu testen, bevor man in die eigentliche Planung gehen kann. Dies ist jedoch beim Einsatz der linearen Programmierung in der Praxis mit einem zu hohen Aufwand verbunden. Allein von diesem Gesichtspunkt her empfiehlt sich bei Planungen im Grünlandbereich die Fixierung der Futterrationen. Den Wechselwirkungen zwischen der Gestaltung der Rationen und der Betriebsorganisation kann dadurch Rechnung getragen werden, daß man für die in Frage kommenden Viehhaltungszweige jeweils mehrere Aktivitäten mit unterschiedlichen Rationen definiert (siehe Seite 57). Im reinen Grünlandbetrieb wird man von dieser Möglichkeit aber gar nicht allzuviel Gebrauch machen müssen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß bei Fixierung der Futterrationen die Input-Outputkoeffizienten im Bereich der Futtererzeugung und Futterwerbung im Rahmen einer sogenannten "Ist-Betriebsrechnung" einer gewissen Kontrolle unterzogen werden können (siehe Seite 93).

Ausgehend von diesen Überlegungen, die in Abschnitt 4.2 an Hand zahlreicher bereits vorliegender Planungsansätze angestellt wurden, konnte gezeigt werden, daß es bei der Erstellung einer Standardmatrix für den Grünlandbereich durchaus möglich ist, den Ansprüchen an den Gebrauchswert sehr weit entgegenzukommen (geringer Matrixumfang, günstige Handhabung etc.) und sämtlichen in der Praxis gegebenen Verhältnissen gerecht zu werden (Abschnitt 4.3). Kompromisse bezüglich der Abbildung der Wirklichkeit und der Berücksichtigung produktionstechnischer Gegebenheiten müssen nur insoweit eingegangen werden, als dies infolge der Datenunsicherheit ohnedies notwendig wäre. Anders ausgedrückt: Jedes Streben nach einer höheren Genauigkeit würde zu einer erheblichen Matrixausweitung führen, wobei dieser "Verlust an Gebrauchswert" in keinem Verhältnis zu dem Gewinn an Information steht. Dies trifft nicht nur auf den hier besonders angesprochenen Komplex 'Futtererzeugung - Futterwerbung - Futterkonservierung - Viehfütterung zu, sondern u.a. auch auf die methodischen Schwächen des Standardmodells.

An sich stehen bereits eine Reihe von Modellmodifikationen zur Verfügung. Nimmt man den erheblichen Mehraufwand an Arbeit und Kosten in Kauf, den etwa der Einsatz der dynamischen und der stochastischen Programmierung erfordert, dann kann zwar das Gewicht der Vorentscheidungen reduziert werden, aber gleichzeitig treten neue Probleme auf, die nicht durch die verbesserte Methode, sondern wiederum nur durch Vorentscheidungen gelöst werden können. Dem steht nun gegenüber, daß bei einer entsprechenden Handhabung des Standardmodells unter sind voller Ausnutzung der hochleistungsfähigen Rechenprogramme die Schwächen, die aus dem Prinzip der eindeutigen Erwartungen und jenem der statischen Betrachtungsweise erwachsen, weitgehend abgebaut werden können; zumindest aber soweit, als es im Rahmen von Planungen in der Praxis erforderlich ist (siehe Kapitel 4.324). Das Linearitätsprinzip und das Prinzip der unbegrenzten Teilbarkeit wurden in ihrer praktischen Auswirkung sicherlich überschätzt. Die Ausschaltung dieser Mängel ist aber heute dank des "Separable Programming" ohnedies kein Problem mehr. Die Anwendung dieses Zusatzprogrammes wurde ebenfalls im Kapitel 4.324 demonstriert.

Mit der Erarbeitung zweckmäßiger Matrixformulierungen respektive mit der Erstellung von Standardmatrizen ist zwar eine wesentliche Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz der linearen Programmierung in der Praxis erfüllt, eine breitere Anwendung dieser Methode auf Beratungsebene erfordert aber darüber hinaus eine entsprechende Organisation in der gesamten Planungsdurchführung. Eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen der örtlichen Beratung und einem Planungszentrum ist unerläßlich. In welcher Weise diese Arbeitsteilung erfolgen soll bzw. wie der gesamte Planungsablauf zu gestalten ist, wurde im letzten Abschnitt dieser Arbeit untersucht.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß sich die vorliegende Standardmatrix und der aufgezeigte Weg einer arbeitsteiligen Planungsabwicklung in der Praxis bereits vielfach bewährt haben. Der unbestrittenen Leistungsfähigkeit der linearen Programmierung, die bei der rechnerischen Erfassung und Durchdringung eines Grünlandbetriebes ganz besonders in Erscheinung tritt, steht nun auch ein relativ hoher Gebrauchswert gegenüber.

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