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SR081: Die Landwirtschaft der Vereinigten Staaten nach dem FAIR Act

Karl M. Ortner

Die Landwirtschaft der Vereinigten Staaten erscheint vielen Europäern wegen ihrer enormen Leistungsfähigkeit als eine Bedrohung. Der FAIR Act von 1996 ist ein Bekenntnis zu dieser Leistungsfähigkeit, er verstärkt sie und nützt sie, um die Weltmärkte mehr als bisher mit Nahrungsmitteln amerikanischer Herkunft zu beliefern. In der vorliegenden Studie wurde die amerikanische Landwirtschaft mit jener der EU verglichen, um Ursachen für Effizienzunterschiede zu finden. Eine dieser Ursachen, die bisherige und zukünftige Agrarpolitik der Vereinigten Staaten, wurde besonders beleuchtet, um daraus Schlußfolgerungen für die europäische Agrarpolitik ziehen zu können.

Die wichtigsten Ursachen für den Zustand eines Sektors sind die natürlichen Voraussetzungen sowie die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die seine Entwicklung begleiten bzw. formen. Daher wurde zuerst die Faktorausstattung und die Agrarstruktur behandelt. Die US-Landwirtschaft verfügt über fast dreimal so große landwirtschaftliche Nutzflächen und beschäftigt halb soviel Arbeitskräfte wie jene der EU; sie wendet weniger Kapital und Arbeit je Flächeneinheit auf, und die Betriebe sind mit wesentlich größeren Flächen ausgestattet. Es gibt auch eine große Bandbreite von Betriebsgrößen und einen sehr großen Anteil an Betriebsleiterfamilien, die ihr Einkommen überwiegend aus nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeiten beziehen. Der Strukturwandel geht weiter in Richtung Betriebsvergrößerung, während die Zahl der Berufstätigen in der Landwirtschaft seit 1985 fast unverändert geblieben ist.

Die Landwirtschaft der Vereinigten Staaten genießt weitgehende Unterstützung in der Bevölkerung, obwohl das Ideal des Familienbetriebes mit der Realität immer weniger übereinstimmt. Die Interessen der Landwirtschaft werden letztlich von den Abgeordneten zum Kongreß durch die Verabschiedung von Landwirtschaftsgesetzen ("Farm Bills"), die bisher im Abstand von etwa fünf Jahren erfolgten, wahrgenommen. Komitees zur Vertretung politischer Interessen (PACs), Erzeugervereinigungen und -verbände sind hauptsächlich nach Produktlinien gegliedert und eng mit der jeweiligen Vermarktungs- und Verarbeitungsindustrie verwoben. Sie spielen im Wahlkampf, bei Anhörungen im Kongreß und durch ihre Zusammenarbeit mit der Verwaltung eine entscheidende Rolle bei der Vorbereitung dieser Gesetze.

Die Landwirtschaftsgesetze beinhalten in erster Linie Vorschriften über die Gestaltung und Handhabung von Marktordnungen für die verschiedenen Agrarprodukte (Maßnahmen zur Preisstützung, Preisausgleichszahlungen, Exportförderung und Importsteuerung). Vor der Verabschiedung des FAIR Act wurde einem Landwirt, der die vorgeschriebene Flächenstillegung durchführte, für wichtige Feldfrüchte (Getreide, Reis, Baumwolle) ein im vorhinein bekannter Erzeugerpreis - der Zielpreis - ausgezahlt. Die dafür vorgesehenen Mittel werden jetzt an Teilnehmer an einem sogenannten Produktionsflexibilisierungsprogramm verteilt, und zwar unabhängig von der aktuellen Erzeugung; dadurch handelt es sich nicht mehr um produktionsfördernde Stützungen, die daher gesenkt wurden, womit eine in der Uruguay-Runde des GATT eingegangene Verpflichtung erfüllt wird. Diese Umstellung der Förderung zu produktionsneutralen Zahlungen wurde für die Bauern durch gestiegene Getreidepreise im Inland und auf den Weltmärkten, die zu geringeren Preisausgleichszahlungen geführt hätten, attraktiv.

Marktordnungen sorgen weiterhin dafür, daß die Erzeugerpreise am US-Inlandsmarkt über dem Weltmarktpreis liegen. Die Instrumente, mit denen dies bei den verschiedenen Agrarprodukten erreicht wird, wurden in der Studie vorgestellt und erläutert. Insgesamt wird die Landwirtschaft der Vereinigten Staaten aber bedeutend weniger gestützt als jene der EU: Hier waren 1993-1995 49 % der Bruttoeinnahmen der Landwirtschaft auf agrarpolitische Maßnahmen zurückzuführen; in den USA waren es nur 18 % gewesen. Große Unterschiede gab es vor allem bei Marktpreisstützungen und Direktzahlungen. Die europäischen Landwirte produzierten im Durchschnitt teurer, leisteten aber auch mehr für die Pflege der Landschaft und verschiedene Aspekte der Umwelt.

Ein wesentlicher Teil der unterschiedlichen Produktionskosten im Zeitraum von 1993-1995 kann durch die außergewöhnlich niedrigen Wechselkurse sowie durch Abweichungen zwischen dem Wechselkurs und der Kaufkraft des USD erklärt werden. Der Rest von mindestens 11 % hat natürliche und strukturelle Voraussetzungen zur Ursache. Die US-Landwirtschaft ist jedenfalls deutlich wettbewerbsfähiger als die europäische; sie wird durch den FAIR Act zu noch größerer Marktorientierung veranlaßt, d.h. zur Kostensenkung bei der Erzeugung und zur Erschließung und Bedienung wachsender Märkte beim Verkauf. 1994 führten die USA - mit Hilfe von Exportstützungen - wertmäßig etwa gleich viele Agrarprodukte aus wie die EU-12; die Zusammensetzung der Agrarproduktion (und -ausfuhren) war jedoch ziemlich unterschiedlich (mehr Mais und Sojabohnen, aber weniger Milch in den Vereinigten Staaten).

Die Konkurrenzfähigkeit der US-Landwirtschaft auf den Weltmärkten wird sich durch die (auch für die EU verpflichtende) Senkung der Ausgaben für Exportstützungen für Agrarprodukte weiter verbessern; wenn man dazu noch die aus dem FAIR Act resultierende weitere Senkung der Produktionskosten in Betracht zieht, wird klar, daß sich die Landwirtschaft der EU gehörig anstrengen muß, wenn sie im Ausland nicht Kunden verlieren will. Sie muß ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern, und die Agrarpolitik sollte sie dabei mit Maßnahmen, die der Kostensenkung dienen, unterstützen.

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