AWI

AB031: Die Wechselwirkungen zwischen Landwirtschaft und Hochwasserrisiko

Ergebnisse des Projektes AWI/162/07, Teilprojekt der Forschungskooperation Flood Risk II des Lebensministeriums

Klaus Wagner, Hubert Janetschek, Julia Neuwirth

Ein wichtiges Ziel des landwirtschaftlichen Hochwasserschutzes besteht darin, das Wasser möglichst in der Fläche zu halten. Dabei kommt der Landwirtschaft als größtem Flächennutzer eine besondere Bedeutung zu. Grundvoraussetzung ist eine standortangepasste Nutzung, die auf die Geländeverhältnisse, die klimatischen Voraussetzungen und Bodeneigenschaften Rücksicht nimmt. Eine hochwasserverträgliche Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen beinhaltet alle Maßnahmen, die den Oberflächenabfluss reduzieren, wie erhöhter Bodenbedeckungsgrad, größere Oberflächenrauigkeit, Vermeidung von Bodenverdichtungen, stabile Bodengefüge und Bodenaggregate, Steigerung der Infiltrationsrate, Vermeidung von Splash-Wirkung und Verschlämmung. Eine wichtige Maßnahme ist die Erhaltung einer lang anhaltenden Bodenbedeckung durch Hauptfrüchte mit langer Vegetationszeit und hoher Bestandesdichte. Dies wird erreicht durch Zwischenfruchtanbau und Untersaaten und andererseits durch die Vermeidung von spät schließenden Reihenfrüchten wie Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben. Weiters bedeutsam ist die Erhaltung eines infiltrationsfähigen Bodengefüges durch Verzicht auf tiefe Bodenwendung, Mulchsaatverfahren, die ausreichende Zufuhr von organischer Substanz und die Bearbeitung hängiger Flächen quer zum Hang. Schließlich sollen vorhandene Bodenverdichtungen gelockert und neue Verdichtungen vermieden werden, z.B. durch eine Verringerung der Befahrhäufigkeit, eine Verminderung des Kontaktflächendrucks und ein Befahren der Flächen nur bei tragfähigem Bodenzustand.

Im vorliegenden Modell wurde einerseits die Hochwasserprävention auf landwirtschaftlichen Flächen bewertet, indem die lokalen naturräumlichen Verhältnisse der landwirtschaftlichen Nutzung gegenübergestellt wurden, um den Wasserabfluss aus landwirtschaftlichen Flächen ersichtlich zu machen. Für die Bewertung der Hochwasserempfindlichkeit der landwirtschaftlichen Flächen wurden zusätzlich die Flächen nach ihrer Überflutungshäufigkeit klassifiziert. So können nun bestimmte Maßnahmen einerseits räumlich gezielt den Wasserabfluss minimieren und andererseits die Schäden im Hochwasserfall gering halten.

Um die Bewertungen und die Vorgangsweise zu veranschaulichen wurde die Gemeinde Seitenstetten als Beispielsregion herangezogen. Es liegt dort jedoch kein behördliches Verfahren zur Gebietsausweisung von jenen Einzelflächen oder Schlägen vor, die in Zukunft für den Hochwasserschutz bedeutend sein könnten. Beispielsprojekte im Ausland zeigen, dass durch eine sorgfältige agronomische Standortanalyse ein Maßnahmenkatalog für sensible Teilgebiete zusammengestellt werden kann, ohne Entzug von Flächen und anderen tief greifenden Betriebsumstellungen. Die Maßnahmen sind meistens relativ einfach plan- und umsetzbar, können insgesamt jedoch in ihrer standortangepassten kombinierten Form sehr effektiv wirken.

Zu bedenken ist, dass mit den Ergebnissen aus dem Teilprojekt 9.5 nur ein Baustein für ein regionales Hochwasserschutzprojekt vorliegt, das noch durch andere Maßnahmen für naturnahen Wasserbau ergänzt werden muss. Ein wichtiges Merkmal eines eher "kleinräumigen" Hochwasserschutzes ist, dass eine Vielzahl von Interessensgruppen im Planungsverfahren integriert werden muss. Durch die Einbindung verschiedener Ziele entstehen oft hohe Anforderungen an die Standortauswahl und Auswirkungen auf den Planungsaufwand, der wiederum den Einsatz verschiedener GIS-Verfahren voraussetzt. Wie die Erfahrungen in Baden-Württemberg zeigen, erschwert die große Anzahl von Einzelstandorten die Umsetzung, sodass eine Realisierung nur langfristig (Schritt für Schritt im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen) oder im Rahmen eines Flurneuordnungsverfahrens günstig erscheint. Alle betroffenen Personen und Institutionen müssen in das Vorhaben integriert werden, um Konflikte einzugrenzen.

Die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen kann mit verschiedenen Instrumenten und auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen, die politisch zu bestimmen wären. Dafür liefert die vorliegende Arbeit Grundlagen. Zu den hoheitlichen, vom Staat geregelten Instrumenten zählen Gesetzgebung, Steuern, Abgaben und Subventionen. Zu den privaten Instrumenten zählen vertragliche Vereinbarungen (z.B. Nutzungsverträge, Flächenkauf und -pacht), Fonds und Stiftungen sowie handelbare Rechte. Der Staat kann im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung beispielsweise Nutzungsverträge mit Grundeigentümern abschließen (z.B. Vertragshochwasserschutz), Überschwemmungsgebiete aufkaufen oder spezielle Entschädigungsfonds für Hochwasserereignisse einrichten.

Im Rahmen der Hoheitsverwaltung könnte beispielsweise eine "hochwasserverträgliche Landbewirtschaftung" als zusätzliche Cross Compliance Bestimmung aufgenommen werden. Dazu wären jedoch vorab österreichweite Analysen über die aktuelle Landbewirtschaftung in Einzugs- und Überschwemmungsgebieten und die Ableitung von allgemein anerkannten Kriterien zur hochwasserverträglichen Landbewirtschaftung nötig. Zu überdenken wäre auch eine Einführung neuer bzw. die Erweiterung bestehender Förderprogramme wie dem ÖPUL mit regional/lokal gezielten Maßnahmenbündeln speziell zum Hochwasserschutz. Je nach Dringlichkeit von Maßnahmen ist aber zu bedenken, dass die Beteiligung an solchen Programmen bzw. die Inanspruchnahme auf freiwilliger Basis erfolgt und daher die tatsächliche Wirkung auch von nicht steuerbaren Gegebenheiten abhängig ist (z.B. nationale und internationale Preisentwicklung bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Energiepreise). Besonders im Zuge der Energieverteuerung und der Diskussionen um verstärkte Biomasseproduktion gewinnen landwirtschaftliche Flächen an Wert, in gleichem Maße steigt aber auch die Hochwasserunverträglichkeit, wenn beispielsweise Mais anstelle von Grünland kultiviert wird. Damit steigen auch die

potenziellen Entschädigungshöhen für die Differenz zwischen geringwertigeren aber hochwasserverträglichen Nutzungen und ökonomisch wertvolleren aber hochwasserunverträglichen Nutzungen. Mögliche längerfristige Schäden durch Umweltbelastungen infolge von Hochwasserereignissen (z.B. Ölverschmutzungen, andere Kontaminationen), wie im Flood Risk II Teilprojekt "Risikoanalyse Stadt Bad Radkersburg" angeführt, wurden hier nicht berücksichtigt.

Jedenfalls wäre eine nationale und sektorübergreifende Strategie zur Vermeidung von Hochwässern bzw. deren Schäden wünschenswert, an der man sich bei regionalen / lokalen Planungen und Maßnahmen orientieren kann. Diese Strategie sollte Schnittstellen vorgeben, um alle auf das Wasserabflussgeschehen einwirkende Entscheidungsträger sowie die vom Wasserabflussgeschehen Betroffenen einzubinden. Die landwirtschaftlichen Bearbeitungen, wie sie in diesem Bericht modellhaft durchgeführt wurden, könnten Teil eines SREP (Schutzwasserwirtschaftliches Raumentwicklungskonzept, siehe Flood Risk II, Teilprojekt 9.1.2) sein. Ebenso ist die Einbeziehung landwirtschaftlicher Flächen in ein erweitertes Vegetationsmanagement, wie im Teilprojekt 4.2 behandelt, zu überlegen. Im Sinne einer integralen Klimaanpassungsstrategie ist auf eine möglichst hochwasserverträgliche Landwirtschaft, wie in diesem Bericht vorgeschlagen, abzuzielen. Dies ergäbe Synergien mit anderen Fachbereichen wie z.B. Ökologie (Teilprojekt 4.3) oder Raumplanung, wie aus Bearbeitungen zu diesen Themen in Flood Risk II hervorgeht.

 

ProjektleiterIn

WAGNER, Klaus

DI Klaus WAGNER

Berggebietsforschung und Regionalentwicklung
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