Modelle einer Behindertenintegration in der Landwirtschaft
In den letzten Jahrzehnten entstand im Dunstkreis neuerer psychiatrischer Reformüberlegungen ein zunehmendes Problembewußtsein gegenüber den in Anstalten Internierten. In der Diskussion über "Modelle einer Offenen Psychiatrie" und unter dem Postulat "Grundsätze einer modernen Behindertenpolitik" meldete sich sehr bald auch die Landwirtschaft zu Wort. Man begann sich wieder auf die lange Tradition landwirtschaftlicher Behindertenbetreuungsmodelle zu besinnen. Erste internationale Untersuchungen über Möglichkeiten einer Integration behinderter Menschen im ländlichen Raum außerhalb traditioneller Betreuungseinrichtungen fanden zunehmend Beachtung.
Modelle einer Einbindung geistig behinderter Personen in landwirtschaftliche Tätigkeitsbereiche sind dabei nicht neu. Betrachtet man die Geschichte, so finden sich eine ganze Reihe von Beispielen, die jedoch nicht einfach als Prototypen einer "Offenen Psychiatrie" auf die heutige Situation übertragbar sind. So hat sich der Zugang zu geistig Behinderten im Laufe der Geschichte in Abhängigkeit von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, wie in etwa von den mit der Entwicklung der Produktivkräfte eng verbundenen Ordnungserfordernissen, aber auch mit den methodologischen und therapeutischen Fortschritten der Psychiatrie und der Sozialmedizin geändert. Eine Einschätzung der Sinnhaftigkeit integrativer Modelle in der Landwirtschaft verlangt deshalb nach einer tiefgreifenderen Analyse, welche neben einer ontologischen Infragestellung des Wahnsinnsbegriffes auch retrospektiv auf die historische Lebenssituation geistig behinderter Menschen in den ländlichen Regionen einzugehen hat. Nur so kann sozialromantischen Vorstellungen von idealisierten, idyllischen Lebensverhältnissen für Geistesschwache auf dem Land begegnet werden.
Der nun vorliegende Bericht ist der zweite Teil einer Studie zur Situation behinderter Menschen in der Landwirtschaft. Er beschränkt sich in seinem Inhalt auf eine Evaluierung der Chancen und Gefahren, welche mit einer extra-asylären Betreuung von geistig Kranken und psychisch Behinderten in der Landwirtschaft verbunden sind. Der zentrale Punkt der Untersuchung ist die Präsentation einiger bestehender oder in Entwicklung begriffener Integrationsmodelle für geistig behinderte Menschen in der Landwirtschaft. Davon abstrahierend wird der Versuch unternommen, adäquate Rahmenbedingungen als Grundvoraussetzung für die Unterbringung geistig Kranker in der Landwirtschaft zu postulieren. Andere behindertenrelevante Fragestellungen, die im Zusammenhang mit der Integrationsthematik ebenfalls eine nicht unwesentliche Bedeutung haben, wie z.B. Begriffsdefinitionen, die rechtliche Hierarchie und Förderungsmaßnahmen für Behinderte in Österreich oder eine Abschätzung über die Anzahl behinderter Personen, bleiben in dieser Arbeit bewußt ausgeklammert, da sie bereits im ersten Teil der Studie (Forschungsbericht Nr. 27) ausführlich abgehandelt worden sind. In rechtlichen Belangen wird in einem Exkurs auf die Problematik des Anhalte- und Sachwalterschaftsrechtes eingegangen, da diese gerade im Kontext mit der Betreuung geistig behinderter Menschen als außerordentlich wichtig erscheint.