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SR078: Die österreichische Landwirtschaft nach dem Beitritt zur EU - Sektorale Analysen

Karl M. Ortner, Martha Neunteufel, Adusei Jumah, Markus Hofreither

Die Anpassung der österreichischen Landwirtschaft 1995 an die GAP (Karl Michael Ortner)

Als sich Österreich 1989 um die EU-Mitgliedschaft bewarb, wurde erwartet, daß als Folge niedrigerer Produktionskosten und eines anderen Förderungssystems in der EU die landwirtschaftliche Endproduktion um 6 Milliarden Schilling oder 11 % abnehmen würde. Die letzte Schätzung vor dem Beitritt sagte voraus, daß die Abnahme 15,8 Mrd. ATS oder 23 % betragen werde. Die Landwirte zögerten daher, die EU-Mitgliedschaft zu befürworten und drängten auf eine verlängerte Anpassungsphase und auf Maßnahmen, die es ihnen ermöglichen würden, gegenwärtige Umweltstandards aufrechtzuerhalten und öffentliche Güter und Dienstleistungen im bisherigen Ausmaß erbringen zu können. Obwohl ihnen das nicht zugestanden wurde, schien es, daß der Beitrittsvertrag genügend Vorteile mit sich bringen würde, wie zum Beispiel die Erfüllung der GATT-Verpflichtungen, die Deregulierung der Verarbeitungssektoren, Freihandel innerhalb der Union, erhöhte Produktivität und niedrigere Verbraucherpreise. Den Landwirten wurden angemessen erscheinende Ausgleichszahlungen angeboten in Form von erhöhten zusätzlichen Einkommenszahlungen in benachteiligten Regionen, in Form von GAP-Zahlungen für pflanzliche und tierische Produkte, von degressiven Ausgleichszahlungen in den ersten vier Jahren der Mitgliedschaft und wesentlich erhöhten Zahlungen für Umweltleistungen. Die vorliegende Arbeit untersucht, welche Veränderungen in Österreichs Landwirtschaft, Verarbeitungsindustrie und Einzelhandelspreisen 1995 eingetreten sind. Die landwirtschaftliche Endproduktion nahm um 16 Mrd. ATS ab: Getreide, Milch, Geflügel, Eier und Gemüse waren jene Sektoren, die vom Beitritt am meisten betroffen waren. Die Nettosubventionen für landwirtschaftliche Leistungen stiegen 1995 um beinahe 14 Mrd. ATS, eine Summe, die die Einnahmensverluste der Landwirte fast ausgleicht. Im Milchsektor stiegen Verarbeitungs- und Marktspannen an; dennoch hätten sich die Konsumenten mindestens 3,7 Mrd. ATS erspart, wenn sie das Konsumniveau von 1994 beibehalten hätten. Der Anpassungsprozeß der Landwirtschaft hat gerade erst begonnen. Sie wird als Folge der progressiven Abnahme der zeitlich begrenzten Ausgleichszahlungen und deren Einstellung im Jahr 1999 weiterhin unter beträchtlichem Druck stehen.

Umweltaspekte der EU-Integration der österreichischen Landwirtschaft (Marta G. Neunteufel)

Die Auswirkungen des EU-Beitritts auf die Umwelt können noch nicht abgeschätzt werden. Preisveränderungen landwirtschaftlicher Produkte und Input-Faktoren, wie auch Veränderungen gesetzlicher Regelungen für die Einfuhr von Agrochemikalien, die Anhebung von Tierbestandsobergrenzen und die Einführung eines neuen Förderungssystems zur Unterstützung umweltpolitischer Ziele beeinflussen den Zustand der Umwelt entscheidend. Die regionale Konzentration von Getreide- (besonders von Mais und Weizen) und tierischen Produkten (Schweine und Geflügel) setzte sich 1995 fort. Als Folge wurden Nitratschwellenwerte im Grundwasser in den entsprechenden Regionen oft überschritten. Dieser Konzentrationsprozeß fand auch in Betrieben statt: die Größe der Tierbestände pro landwirtschaftlichen Betrieb stieg stärker an als die Größe des gesamten Bestandes. Die biologische Landwirtschaft weitete sich in Grünlandgebieten schnell aus, während in den Ackerbaugebieten nur ein geringer Anteil von Betrieben auf biologischen Anbau umstieg.

Marktstruktur, Marktspannen und EU-Mitgliedschaft: Ergebnisse aus dem österreichischen Fleischsektor (Adusei Jumah)

Man kann erwarten, daß die Einzelhandelspreise den Bewegungen der Erzeugerpreise folgen, obwohl es möglicherweise Verzögerungen der Anpassung geben wird, weil Einzelhändler es vorziehen könnten, Preise konstant zu halten oder zu erhöhen. Daß sie dies tun und die Preise nur in die erwünschte Richtung anpassen, wird von Landwirten und Verbrauchern gleichermaßen häufig behauptet und beklagt. Wenn sie recht hätten, würde das heißen, daß Einzelhändler wie Oligopolisten handeln, Preise setzen und monopolistische Renten einstecken können. Die Analyse der Bewegungen monatlicher Erzeuger- und Einzelhandelspreise von Rinder- und Schweinefleisch von 1981 bis 1994 in Österreich mittels Kointegration zeigt allerdings, daß diese Behauptungen nicht gerechtfertigt sind. Es wurde festgestellt, daß die Preise in der Rinder- und Schweinehandelskette kointegriert sind und daß der Kointegrationsvektor Hypothesen bestätigt, die nur gelten, wenn die betreffenden Märkte durch kompetitives Verhalten der Marktteilnehmer charakterisiert sind. Genauer gesagt wurde die Bewegung eines jeden der vier beobachteten Preise langfristig von entsprechenden Bewegungen der drei anderen Preise begleitet, wobei es kurzfristig zu partiellen Anpassungen an ein langfristig geltendes Gleichgewicht kam. Während diese realen Marktspannen in Absolutbeträgen unverändert geblieben sind, nahmen sie prozentuell zu. Die Ergebnisse der ex post Prognosen zeigen, daß die Fleischpreise, wäre Österreich nicht EU-Mitglied geworden, höher gewesen wären als sie 1995 tatsächlich waren.

Einige Anmerkungen zur makroökonomischen Entwicklung nach Österreichs EU-Beitritt (Markus F. Hofreither)

Seit 1995 hat die EU drei neue Mitglieder: Österreich, Finnland und Schweden. Obwohl alle neuen Mitglieder vorübergehend mit Anpassungsproblemen zu kämpfen haben, werden die langfristigen Aussichten des EU-Beitritts positiv beurteilt. Es wird erwartet, daß die Integration ehemals getrennter wirtschaftlicher Gebiete hinsichtlich der wirtschaftlichen Effizienz, Wachstum und Wohlfahrt Vorteile nach sich ziehen wird, hauptsächlich angespornt durch erhöhten Wettbewerb. Konkret sind die Faktoren, die die erhofften Ergebnisse mit sich bringen, vor allem die Beseitigung von Transaktionskosten, sowie eine erhöhte Spezialisierung und, als Folge, höhere Skalenerträge durch größere Märkte. Zusätzliche Argumente für die Integration von europäischen Ländern sind das größere Gewicht bei internationalen Verhandlungen, die größere Effizienz gemeinsamer Institutionen in der Außenpolitik und in Sicherheitsfragen und nicht zuletzt die wachsende Anzahl von Problemen, die im isolierten nationalen Rahmen nicht gelöst werden können. Im Falle Österreichs wurde ein maßgeblicher Teil der Unterschiede zur EU schon durch den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) beseitigt. Daher ist es nicht überraschend, daß die kurzfristigen Effekte des EU-Beitritts auf der makroökonomischen Ebene ziemlich gering waren. Tatsächlich sind die auffälligsten Entwicklungen eine geringe Preissenkung im Lebensmittelbereich, die negative Wirkung der finanziellen Nettozahlungen an das EU-Budget sowohl auf die Zahlungsbilanz als auch für das Staatsbudget, verstärkt durch beträchtlich erweiterte Zahlungen an die Landwirte und den agroindustriellen Sektor. Die fortgesetzten Anstrengungen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, die dazu beitragen, die auf den europäischen Märkten gebotenen Möglichkeiten nutzen zu können, zeigen erste Erfolge. Trotzdem bedarf es noch einiger Zeit, bis die gesamten erwarteten Auswirkungen des Beitritts zur EU darstellen, realisiert werden können. Daher wird es in den nächsten Jahren eine der Hauptaufgaben öffentlicher und privater Entscheidungsträger sein, diesen Prozeß zu unterstützen.

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