AWI

SR107: Versorgung Österreichs mit pflanzlichem Eiweiß

Fokus Sojakomplex

Karlheinz Pistrich, Sabine Wendtner, Hubert Janetschek

Die Entwicklung des Sojaanbaus ist in Österreich eng mit dem Namen Friedrich Haberlandt verbunden. Als der Professor für Pflanzenbau bei der 1873 in Wien stattfindenden Weltausstellung die Nutzpflanze kennenlernte, regte er erste Anbauversuche innerhalb und außerhalb der Habsburgermonarchie an. Haberlandt erkannte früh die vielfältigen Verwertungsmöglichkeiten und den außerordentlichen Nährwert sowohl für die tierische als auch menschliche Ernährung. Mit dem Tod Haberlandts 1878 kamen die Bemühungen rund um die Sojabohne im Habsburgerreich zum Erliegen. Anders in den Vereinigten Staaten wo Ende des 19. Jahrhunderts Anbauversuche mit Soja weitergeführt wurden. Auch das US-Landwirtschaftsministerium erkannte früh das Potential und begann ab 1898 den Sojaanbau durch Flugblätter und Ausstellungen auf landwirtschaftlichen Messen aktiv zu bewerben. Andere heutige Hauptanbaugebiete wie Brasilien oder Argentinien begannen erst Anfang der 1970er Jahre den Sojaanbau zu intensivieren, als im Zuge der "Eiweißkrise" die Preise für Sojaschrot auf den internationalen Märkten enorm anstiegen.

Österreich strengte aufgrund der großen wirtschaftlichen Not in der Zwischenkriegszeit wieder erste Züchtungsaktivitäten an. Angesichts der prekären Ernährungssituation starteten in dieser Zeit Initiativen zur Bekanntmachung der Vorzüge des Sojas für die menschliche Ernährung. Die Einbindung von Sojalebensmitteln wie dem "Edelsojamehl" in die tägliche Ernährung sollte aufgrund des hohen Protein- und Fettgehalts auf diese Weise die Ernährungssituation der Österreicherinnen und Österreicher vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg verbessern. Der einsetzende Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg trug jedoch am wiederholten Rückgang des Interesses an der Sojabohne für die menschliche Ernährung bei. Mit zunehmendem Wohlstand und steigendem Fleischkonsum wandelten sich die Nutzungsgewohnheiten, und die Sojabohne bildete zusammen mit Mais das Fundament der wachsenden Welt-Fleischproduktion.

Die Weltsojaanbaufläche ist von 1970 bis 2012 von 30 Mio. ha auf 107 Mio. ha gestiegen, und ist nach Weizen, Mais und Reis inzwischen die viertwichtigste Weltfrucht. Die Hauptproduktionsgebiete sind Nord- und Südamerika mit den USA (2012: 30,8 Mio. ha), Brasilien (2012: 25 Mio. ha) und Argentinien (2012: 19,4 Mio. ha). Weltweit wurden gemäß USDA im Wirtschaftsjahr 2011/12 mehr als 166 Mio. Tonnen Sojabohnen und Sojaschrot (umgerechnet in Sojabohnenäquivalente) am Weltmarkt gehandelt. Die mit Abstand größten Abnehmer waren China (59,2 Mio. t) und die EU (38,6 Mio. t). Während der Importbedarf der EU gleichbleibend bis leicht rückläufig ist, bleibt Chinas Bedarf an Sojaimporten weiter steigend. Innerhalb einer Dekade - von 2001/02 bis 2011/12 - stiegen die chinesischen Importe um das Fünfeinhalbfache, und das obwohl China der weltweit viertgrößte Sojaproduzent ist.

Österreich erlebte in den 1980er und frühen 1990er Jahren einen kleinen Sojaboom. Von 1987 auf 1988 stieg die Sojaanbaufläche von 270 Hektar auf 5.600 Hektar. Seine Kulmination fand der Boom im Jahr 1993 mit 54.000 Hektar Anbaufläche. Mit dem EU-Beitritt sank der Sojaanbau stark, ist seither aber wieder im zunehmen. Bis 2000 stieg die Sojafläche auf 15.500 Hektar, und hat sich von da an bis 2012 auf über 37.000 Hektar mehr als verdoppelt. Hauptproduktionsgebiete sind derzeit die Bundesländer Oberösterreich (2011: 13.552 Hektar), Burgenland (2011: 12.729 Hektar) und Niederösterreich (2011: 7.800 Hektar). Der Ertrag lag im konventionellen Anbau zwischen 2008 und 2012 im Mittel bei 28,4 dt/ha. Bei Biosoja betrug der Durchschnittsertrag 22 dt/ha (2007 bis 2011). Auch im Biosegment hat sich der Anbauumfang von 886 Hektar (2000) auf über 7.900 Hektar (2011) beträchtlich gesteigert. Dieser Wert von 2011 entsprach einem Anteil von 4,2 Prozent an der gesamten biologischen Ackerfläche. Der Bioanbau konzentriert sich auf das Burgenland (2011: rund 3.500 Hektar) und Niederösterreich (2011: rund 2.800 Hektar). Im für den konventionellen Sojaanbau bedeutenden Oberösterreich betrug die Biosojafläche 2011 rund 600 Hektar.

Zur Sojaproduktion eigenen sich in Österreich die vorrangig in den drei erwähnten Bundesländern liegenden feucht-warmen Gebiete im Südosten, die warmen Anbaugebiete Ostösterreichs, das Niederösterreichische Westbahngebiet und der Oberösterreichische Zentralraum. Die für Sojaanbau geeigneten Gebiete decken sich mit den Körnermais- und Zuckerrübengebieten, und der Sojaanbau kann hier zur Auflockerung der Fruchtfolge beitragen und so den Maiswurzelbohrerdruck reduzieren. Für die Sojabohne sprechen weiters ihre Stickstoffautarkie und der geringe Entzug von Phosphor und Kalium aus dem Boden. Diese Vorzüge kommen speziell bei Hochpreisphasen am Düngemittelmarkt zur Geltung, leisten gleichzeitig aber auch einen Beitrag zur Ressourcenschonung. Die Fähigkeit von Soja mit Hilfe von Knöllchenbakterien Stickstoff aus der Luft im Boden zu binden, kommt auf Grund des Verwendungsverbots von leicht löslichem mineralischem Stickstoffdünger und den begrenzten Zukaufmöglichkeiten von organischen Düngemitteln in der biologischen Landwirtschaft vor allem viehlosen Ackerbaubetrieben entgegen. Das verfügbare Sortenmaterial ist zwar zufriedenstellend, doch besteht Bedarf an Weiterzüchtung etwa in Richtung frühreiferer Sorten und höherem Proteingehalt. Neben diesen Vorzügen verlangt der Sojaanbau den Landwirtinnen und Landwirten allerdings großes pflanzenbauliches Können und Wissen ab.

In der Fütterung sind die importierten Sojabohnen und weiterverarbeiteten Sojafuttermittel wie Sojaextraktionsschrot (SES) oder Sojakuchen durch Eiweißquellen aus heimischer Erzeugung wie Körnerleguminosen, Rapsschrot, Sonnenblumenkuchen, Maiskleber oder DDGS (Dried Distillers Grains Solubles) - ein Nebenprodukt der Biotreibstoffherstellung - nur gering substituierbar. Österreich importierte etwa in den Jahren 1990 bis 2012 zwischen 493.000 Tonnen und 706.000 Tonnen Soja netto (umgerechnet in Sojabohnenaequivalente) - in erster Linie in Form von Sojaschrot aus den Hauptproduktionsgebieten Argentinien, Brasilien und den USA. Mit den Importen wurden etwas 2010 rund 60 Prozent des heimischen Eiweißbedarfs gedeckt. Für die übrigen 40 Prozent standen heimische Eiweißfuttermittel zur Verfügung. Sojabohnen aus österreichischem Anbau spielen für die Eigenversorgung im Fütterungsbereich bisher nur eine geringe Rolle, da der wesentliche Teil der Ernte von der Lebensmittelwirtschaft verarbeitet wird.

Zur Abschätzung des Anbaupotentials von Soja in Österreich wurde aufgrund eingeschränkter Ressourcen ein Modell gewählt, welches auf den in den letzten Jahren bestehenden Soja-, Körnermais- und Zuckerrübenflächen basiert. Auf Basis auf den in den Jahren 2007 bis 2011 durchschnittlich angebauten Flächen dieser drei Kulturen ermittelte sich das biologische Anbaupotential. Das ist jener geschätzte Flächenumfang, auf dem prinzipiell Sojaanbau unter Berücksichtigung der Fruchtfolgerestriktionen möglich ist. Das auf diese Weise für Österreich geschätzte biologische Anbaupotential von Soja beträgt 540.000 Hektar. Unter Berücksichtigung pflanzenbaulicher Fruchtfolgerestriktionen und nach Abzug der steirischen Körnermaisflächen ergab sich in weiterer Folge dann das pflanzenbauliche Anbaupotential, welches bei einem Sojaanbau mit 4jähriger Fruchtfolge 125.000 Hektar ergab. Das ökonomische Potential, also die unter den gegebenen ökonomischen Rahmenbedingungen tatsächlich umsetzbare Anbaufläche von Soja, ist kaum mit einem Fixwert ausdrückbar. Dessen Höhe hängt in großem Maße vom Niveau des Sojaerzeugerpreises in Verbindung mit der Preisrelation von Soja zu Körnermais ab.

Hinsichtlich der Fütterungseigenschaften sind Sojafuttermittel speziell in der Schweine- und Geflügelfütterung nur schwer durch heimische alternative Eiweißquellen ersetzbar. So ist etwa der Rohproteinanteil bei Eiweißfuttermitteln auf Sojabasis im Vergleich zu anderen heimischen Eiweißquellen wie Körnererbsen (20,7 %), Ackerbohnen (26 %), Sonnenblumenkuchen (21,9 %) oder Rapsextraktionsschrot (35,3 %) mit 48 % bei Soja HP, 44 % bei Soja 44, 40 % bei Sojakuchen und 37,4 % bei vollfettem Sojabohnen deutlich höher. Auch die fütterungsphysiologische Qualität des Eiweißes ist bei Sojafuttermitteln in Relation zu alternativen heimischen Eiweißquellen sehr hoch und spricht für Soja in der Nutztierfütterung. Der Gehalt an essentiellen Aminosäuren wie Lysin, Threonin oder Tryptophan ist besonders in der Schweine- und Geflügelhaltung von großer Relevanz, weil diese im Gegensatz zu den Wiederkäuern essentielle Aminosäuren nicht selber produzieren können. Wiederkäuer sind daher hinsichtlich der Eiweißversorgung anspruchsloser als Monogastrier, da der Eiweißbedarf einfacher mit Eiweißfuttermittel geringerer biologischer Wertigkeit gedeckt werden kann.

Innerhalb der Europäischen Union konzentriert sich der Sojaanbau auf einige wenige Mitgliedsländer. Insgesamt baute 2012 die EU27 auf 377.000 ha Soja an. Der größte Produzent war Italien mit etwa 153.000 ha bzw. einem Anteil von fast 41 % an der EU-Sojafläche, gefolgt von Rumänien mit 78.000 Hektar (20,7 % Flächenanteil) und Ungarn mit 41.000 ha (10,9 % Flächenanteil). An vierter Stelle folgte bereits Österreich mit über 37.000 ha bzw. einem Anteil von 9,8 %.

Gesamteuropäisch befanden sich 2012 die größten Sojaanbaugebiete in der Ukraine, in Russland und in Serbien. In Summe wies Europa 3,45 Mio. Hektar Sojafläche auf. Davon entfielen rund 1,4 Mio. ha bzw. 41 % auf die Ukraine, gefolgt von Russland mit 1,35 Mio. ha bzw. einem Flächenanteil von fast 40 %. Der Anteil der EU27 an der gesamteuropäischen Sojafläche machte 2012 rund 11 % aus.

Die Sojabohne ist auch im Ernährungsbereich gefragt. Wegen einer für den menschlichen Organismus vorteilhaften Nährstoffkombination mit einem hohen Gehalt an hochwertigem pflanzlichem Eiweiß, einer günstigen Fettsäurezusammensetzung, der Cholesterinfreiheit und sekundären Pflanzenstoffen wie Isoflavonen, wird der Sojabohne eine gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben. Schätzungen zufolge sind Bestandteile der Sojabohne in rund 30.000 verschiedenen Lebensmitteln enthalten, wobei sowohl Eiweiß als auch Öl der Sojabohne von der Lebensmittelindustrie genutzt werden, um Produkte wie Sojagetränke, Tofu, Sojasauce, Miso und Backmittel herzustellen. Auch für das bei der Speiseölgewinnung als Nebenprodukt anfallende Sojalecithin bieten sich vielfältige Verwendungsmöglichkeiten in der Lebensmittelwirtschaft, wo es vor allem als Emulgator, Bindungsmittel, Oxidationsschutz und Kristallisationsverzögerer eingesetzt wird.

Die heimische Nahrungsmittelindustrie zählt zu den Hauptabnehmern österreichischer Soja und ein Großteil der Ernte wird hier weiterverarbeitet. 2009 verarbeiteten die österreichischen Betriebe 40.000 bis 45.000 t Speisesoja.

Der europäische Markt für Speisesoja wurde für 2009 auf etwa 170.000 bis 220.000 t geschätzt, wobei rund die Hälfte für die Herstellung von Sojadrinks (80.000 - 100.000 t) verwendet wurde. Bei Sojagetränken lag der durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Verbrauch 2007 im EU-Schnitt bei 0,82 Litern. Den höchsten Verbrauch verzeichnet Belgien mit 2,3 Litern, gefolgt von Spanien mit zwei Litern. Der Österreichische Pro-Kopf-Verbrauch betrug 0,7 Liter. Im Segment der Herstellung von Mehlen und Backwaren sind österreichische Verarbeiter von Speisesoja in der EU marktführend. Rund 25.000 bis 30.000 t der in der EU verarbeiteten 40.000 bis 50.000 t wurden in Österreich verarbeitet. Das entsprach einem Marktanteil von rund 60 %.

Ein besonderes Merkmal von österreichischen Sojalebensmitteln ist ihre Gentechnikfreiheit. Aufgrund der geringen GVO-Akzeptanz der Konsumenten und Konsumentinnen ergibt die GVO-Freiheit für Anbau und Verarbeitung eine Marktnische, und ist hauptsächlich verantwortlich für die Marktführerschaft österreichischer Verarbeiter.

GVO-Freiheit ist auch in der konventionellen Fütterung zunehmend bedeutend, da Markenfleischprogramme oder Qualitätsprogramme wie das IBO-Schwein in Oberösterreich oder Initiativen von österreichischen Molkereien gentechnikfreie Fütterung verlangen.

Neben der GVO-Skepsis beeinflussen auch sich ändernde Ernährungsgewohnheiten, gesundheitliche Aspekte wie Laktoseintoleranzen oder Kuhmilchproteinallergien, steigendes Gesundheitsbewusstsein sowie zunehmende vegetarische und vegane Ernährungsweise die Entwicklung des Marktes für Sojalebensmittel. 2011 erzielten Sojaprodukte im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel einen Umsatz von 20,1 Millionen Euro, was einem Zuwachs um neun Prozent gegenüber 2009 entsprach.

Für österreichische Produzenten und Verarbeiter von Sojabohnen bedeutet die Gentechnikfreiheit ein Alleinstellungs- und Abgrenzungsmerkmal, insbesondere aufgrund der ständigen Ausweitung des GVO-Anbaus. Seit der erstmaligen kommerziellen Nutzung im Jahr 1996 ist die Anbaufläche von 1,7 Millionen Hektar auf 170 Millionen Hektar im Jahr 2012 angewachsen. 2012 wurden gentechnisch veränderte Pflanzen von über 17 Millionen Betrieben in 28 Staaten angebaut, wobei sich fast 90 Prozent der Gesamtfläche auf die fünf Länder USA, Brasilien, Argentinien, Indien und Kanada verteilten. Die Europäische Union ist beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen unbedeutend. 2012 wurden in 5 EU-Ländern auf 133.000 Hektar GVO-Bt-Mais gepflanzt, was einem Anteil von 0,07 % an der globalen GVO-Fläche entsprach. Abgesehen von Spanien, wo auf 116.000 Hektar GVO-Mais wuchsen, lagen in Portugal, Tschechien, der Slowakei und Rumänien die Anbauflächen jeweils unter 5.000 ha.

Haupt-GVO-Kultur ist weltweit mit 81 Mio. Hektar und rund 48 Prozent Anteil die Sojabohne, welche sich 2012 auf 11 Länder verteilten. Hauptproduzenten von GVO-Soja sind die USA (2012: 28,6 Mio. ha), Brasilien (2012: 23,9 Mio. ha) und Argentinien (2012: 20,2 Mio. Hektar). Der GVO-Anteil betrug bei der Sojabohne weltweit rund 76 % und ist weiter steigend.

 

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